TEXAS LIGHTNING
It was not a joke – it was country.
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Bevor wir 2006 mit "No No Never" Deutschland beim ESC vertraten, kannte die Band hierzulande noch kaum jemand. Gegründet hatte ich sie aber bereits Ende der neunziger Jahre …
Wir standen in einem 13 Quadratmeter kleinen, muffigen Bunkerraum und hatten gerade eine relativ holprige Version von "Turning japanese" gespielt, als unser Trommler Stefan Hansch vorschlug, mal ein paar Country-Songs zu probieren. Das war im Herbst 1997, und die Idee erschien mir gleichermaßen revolutionär wie nachhaltig: Country ist neben Jazz und Blues eine der wenigen Stilistiken, mit denen man in Würde auf der Bühne altern kann. Ich war zu diesem Zeitpunkt bereits jenseits der 30, hatte den größten Teil meines Haupthaares verloren und fand Stefans Vorschlag sehr gut. Dies war die Geburtsminute von Texas Lightning.
Die Idee, große Klassiker der Rock- und Pop-Geschichte in Countrysongs umzuarbeiten, kam erst ein Jahr später und war eigentlich ein Betriebsunfall. Bei einer Probe spielte ein Teil der Band "Wanted Man" von Johnny Cash, während ich einfach aus Spaß Robert Palmer's Edelrocker "Bad case of loving you" intonierte. Das ging zwar harmonisch überhaupt nicht zusammen, machte uns aber sofort klar: Wenn wir derart ländlich verwandelte Songs auf die Bühne brächten, würden uns vielleicht auch Menschen zuhören, die um Country bis dahin einen weiten Bogen gemacht hatten.
Die Band betrat im Jahr 2000 erstmals eine echte Bühne, ging durch einige Umbesetzungen und feilte an Vortrag und Repertoire. Wir spielten Konzerte und Festivals in Holland, Dänemark und Polen und produzierten zweieinhalb CDs im eigenen Proberaum. Im Winter 2004 stießen Jane Comerford und Olli Dittrich zu uns und unser Raumschiff zündete eine neue Brennstufe: Plattenvertrag, Albumaufnahmen, TV-Auftritte, bundesweite Tourneen und schließlich unsere Teilnahme am European Song Contest im Jahr 2006, die uns zum Einen zwar nur einen mittelmäßigen 15ten Platz, zum anderen dafür aber einen Nr.1 Hit und mehrfache Gold- und Platin-Auszeichnungen in Deutschland bescherte.
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Ende 2008, nach über zehn Jahren Bandgeschichte, mehreren hundert Auftritten im In- und Ausland und einigen Hundertausend verkauften Tonträgern war diese Reise für mich allerdings zu Ende. Ich fühlte mich künstlerisch ausgebrannt, die relativ filigrane Balance zwischen aufrichtiger Zuneigung und ironischer Distanz zum Genre Country war für mich irgendwo unterwegs verloren gegangen. Dem Erwartungsdruck, sofort weitere gut konsumierbare Pop-Country-Hits abzuliefern, fühlte ich mich nicht gewachsen. Es war in Wahrheit auch nie mein Ziel gewesen. Es war halt einfach passiert. Die kurze Phase im heißen Licht der ganz, ganz großen Öffentlichkeit hatte viel Spaß gemacht, sie war eine unglaubliche Erfahrung gewesen – aber mich selbst hatte sie in eine Sackgasse manövriert. So entließ ich mich gewissermaßen selbst aus meiner eigenen Band. Das war nicht einfach, es war schmerzhaft, aber die richtige Entscheidung. Es dauerte ein paar Jahre, aber letztlich öffnete sie mir die Tür zur eigenen Musik. Und zur deutschen Sprache, um dessen Benutzung ich mich bis dahin erfolgreich gedrückt hatte.